Netzfunde

Bitte 100-mal abschreiben: Ich darf Facebook nicht zu dienstlichen Zwecken nutzen

23.Juli 2013  

Baden-Württemberg verbietet seinen LehrerInnen die Nutzung von Facebook für dienstliche Zwecke, und schließt in einem Nebensatz generell „Soziale Netzwerke“ in dieses Verbot ein, sofern sie nicht den Anforderungen des Landesdatenschutzgesetzes genügen. Damit sind neben Twitter auch sämtlich Google-Produkte, und wohl auch Wikipedia ab sofort für LehrerInnen Tabu. Es ist vergeudete Zeit, sich länger als 20 Minuten darüber zu ärgern – spätestens die Generation der LehrerInnen, die ohne Facebook nicht mehr leben kann, wird sich nicht an das Verbot halten, das Ministerium gar nicht als Verbot verstanden haben will.

Deshalb nehme ich mir jetzt 20 Minuten Zeit um zu erklären warum dieses Entscheidung überdacht werden sollte und mit einer Handreichung ersetzt werden sollte, die didaktische Chancen und Einsatzszenarien, rechtliche Probleme und Herausforderungen, sowie Grenzen offen diskutiert.

  1. Als Erstes stellt sich die Frage, was dienstliche Zwecke sind. Für viele Aufgaben eines Lehrer, einer Lehrerin ist Facebook  tatsächlich ungeeignet. Auch die Kommunikation zwischen LehrerInnen und SchülerInnen via Facebook ist eher nicht sinnvoll. Aber spätestens wenn Lehrerende untereinander kommunzieren, halte ich ein generelles Verbot für wenig sinnvoll.  Eine Gruppe von COER13-Teilnehmenden hat z.B. einen Facebook-Gruppe gegründet, um sich zum Thema Offene Bildungsressourcen auszutauschen. Ganz klar ein dienstlicher Zweck. Oder die Lehramtstudierenden an der Uni Duisburg-Essen, die die Gruppe Lehrer unter sich in Facebook gegründet haben.
  2. Ja, Datenschutz ist ein Problem. Die Argumentation, deshalb auf Facebook zu verzichten ist ein bisschen wie die Idee, Keuschheit als Schutz vor schlimmen Krankheiten zu propagieren. Das Ziel muss sein, einen verantwortungsvollen Umgang mit Facebook und Co. zu lernen. Das geht nur, wenn LehrerInnen wissen, wovon Sie reden und Facebook eben nicht zur zum Hochladen von Urlaubsbildern nutzen.
  3. Stichwort Urlaubsbilder: Eine der zentralsten Ziele von Medienbildung ist aus meiner Sicht, die aufgabenorientierte Nutzung von Tools und Technologien im Web zu üben. Die Argumentation des Kultusministerium lässt sich neben Facebook, Twitter und google+ leicht auch auf andere Tools ausweiten, deren Server nicht in Europa stehen – im Prinzip also das ganze Web. Richtig ist: Moodle ist eine Lösung. Aber eben nur eine und vielen anderen. Hier sollten didaktische Fragen im Vordergrund stehen. Es gehört zur Kompetenz, die SchülerInnen haben sollten, sich in diversen und sich ständig ändernden Informationsumwelten sicher und aufgabenorientiert bewegen zu können. Das braucht Übung.
  4. Ich traue den meisten LehrerInnen zu, verantwortungsvoll mit Facebook und Co. umzugehen und zu entscheiden welches Tool und welche Nutzungsform wann pädagogisch sinnvoll und vertretbar ist. Es drängt sich der Verdacht auf, das Kultusministeriums könnte da Bedenken haben, und zieht deshalb lieber mal den Stecker. Oder ist das Ganze nur eine „Ich wasche meine Hände in Unschuld“-Taktik, bei der von offizieller Stelle eine Regelung fernab jeglicher Realität getroffen wird?

Fazit: Die Nachricht fällt in die Kategorie „Sommerloch füllen“, und überbrückt die Wartezeit bis zum nächsten Datenschutz-Skandal. Deshalb jetzt schnell Facebook checken und dann schnell zum Schuljahresabschlusssommerfest

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1 Response

  1. Johannes Moskaliuk sagt:

    Ich habe nochmals nachgefragt, was mit dem Begriff „dienstliche Zwecke“ gemeint ist. Die Antwort ist eindeutig: Alles. „Hierunter fällt jegliche dienstlichen Zwecken dienende Kommunikation zwischen Schülern und Lehrkräften sowie zwischen Lehrkräften untereinander, ferner das (Zwischen-) Speichern von personenbezogenen Daten jeder Art auf Sozialen Netzwerken.“

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